Das Erlebnis Marathon
Der ultimative Läufertraum: einmal einen Marathon meistern
42 195 (Zweiundvierzigtausendeinhundertfünfundneunzig) Meter pure Schinderei. Warum macht man das? Bei mir wie bei den
meisten Läufern wohl: Um sich selbst etwas zu beweisen. Den Kampf gegen den inneren Schweinehund gewinnen. An die
eigenen physischen und psychischen Grenzen stoßen. Eine enorme Herausforderung bewältigen. Die ungeahnte Freude beim
Zieleinlauf und der verdiente Stolz danach. Kurz: Adrenalin pur.
In welcher Sportart kann man sonst schon gegen die Weltelite antreten? Zugegeben, die Spitzenathleten sieht man allenfalls von
hinten am Start und dann nie wieder. Aber immerhin! Als typischer Mitläufer hat man ohnehin keine Gegner - man läuft nur gegen
sich selbst oder allenfalls gegen die Uhr. Das ultimative Ziel: den Marathon "finishen“. Sich selbst kennen zu lernen, seine
Grenzen auszuloten. Wer diese Erfahrung macht, wächst als Mensch. Und das wiegt allemal die Schinderei auf.
Am 5. Oktober 2003 war es soweit, in meiner Heimatstadt Köln stelle ich mich meinem ersten Marathon. Aufgeregt war ich schon,
die Vorbereitung war optimal, das Wetter schien - trotz aller Prognosen - gut zu werden und ich war einfach so positiv eingestellt,
dass doch eigentlich gar nichts schief gehen konnte.
Und nun der Reihe nach: Am Start das übliche Gewusel, das ich schon von den anderen Wettkämpfen kenne. Ich reihe mich also
pünktlich in den Blauen Startblock ein und warte auf den Start. Es dauert ewig, bis wir an der Reihe sind und ich habe Zeit
nachzudenken. Wie wird es wohl für mich sein so weit zu laufen? Meine längste Strecke bisher war 30 km. Wartet der Mann mit
dem Hammer auf mich? Werde ich durchhalten? Reicht meine mentale Stabilität, mich ins Ziel zu tragen?
Eine gute halbe Stunde nach dem Startschuss geht plötzlich ein Ruck durch die Menge und endlich dürfen auch wir langsam bis
zur Startlinie gehen. Auf den Startmatten setze ich die Stoppuhr in Gang und los geht es.
Start:
Über die Deutzer Brücke und den Rhein geht es erst einmal in die Innenstadt von Köln. Das Gedränge der Menschenmassen hatte ich mir schlimmer vorgestellt, ich konnte recht gut laufen und mein eigenes Tempo finden. Da ich ein sehr gemächliches Tempo laufe werde ich von vielen überholt, aber man hat mich ja ausdrücklich davor gewarnt zu schnell los zu laufen.
Km 5:
Sobald sich das Feld etwas lichtet kann ich endlich frei laufen, und es geht flott zur Sache. Rechts und links stehen viele Zuschauer, also beginne ich mit den Zuschauern etwas herumzualbern. Ich bin so gut in Stimmung, dass ich aufpassen muss nicht ungewollt immer etwas zu schnell zu laufen. So purzelt ein Kilometer nach dem anderen, und ich habe sogar schon wenige Läufer überholt.
Km 10:
Die ersten 10 Kilometer vergehen ziemlich schnell. Ohne dass ich es will, habe ich bereits einige Minuten herausgelaufen. Ich fühle mich gut - keineswegs zu schnell - und genieße das Gefühl: Tausende auf dem Weg zum Ziel, Hunderttausende von Zuschauern säumen die Strecke! Die sind alle extra hergekommen, um uns laufen zu sehen und uns anzufeuern und beizustehen. Mehr als einmal läuft es mir heiß und kalt den Rücken runter.
Km 15:
Habe das ganze auch mental sehr gut im Griff, denke positiv und erfreue mich an der Umgebung und den vielen Zuschauern. Der Sambarhythmus dröhnt mir vom Straßenrand entgegen. So was macht Spaß und lockert die Stimmung ungemein auf. Es ist eine sehr gute Stimmung und etliche Zuschauer feuern auch uns (hintere Läufer) noch richtig ordentlich an - fühle mich supergut.
Km 20:
Dann kommt die Halbmarathonmarke. Mir geht es erstaunlicher Weise immer noch glänzend, fühle mich topfit. Aber jetzt beginnt ja auch der härtere Teil eines Marathons. Auf dem Ring stehen die Massen so eng, dass man kaum noch überholen kann. Ein Mordsgetöse - das ist Gänsehaut pur. Die Power der Zuschauer und der Mitläufer aufnehmen und trotzdem konzentriert laufen ist gar nicht einfach. Wird aber mit jedem Kilometer wichtiger, da die Kräfte langsam nachlassen.
Km 25:
Vorbei am Mediapark passiere ich die Kilometer 27 und 28 - die Reihen lichten sich, es wird ruhiger. Ich lasse es gemütlich dahinlaufen, keine unnötigen Anstrengungen, nur nichts riskieren. Bin doch angenehm überrascht, wie locker es einfach weiterläuft. Und das auch noch auf der Höhe von Riehl, dem vielleicht (oder gewiss!) trostlosesten Streckenabschnitt des Köln-Marathons. Ich bin sehr konzentriert. Ein bisschen müde in den Beinen, aber vor allem bezaubert von der Stadtmarathon-Stimmung.
Km 30:
Hinter Kilometer 30 liegt für mich Neuland. Mir tun schon ziemlich die Knochen weh und die Beine werden schwer und schwerer. Jetzt ist erst recht mentale Stärke und Konzentration angesagt. Ein letztes Mal Richtung City, Muskulatur und Gelenke schmerzten jetzt bei jedem Schritt. Ab Kilometer 33 dann melden sich meine Knie mit leisem Zwicken, das sich langsam steigert. Was tu ich mir da an, warum macht man so was? Aber jetzt noch aufgeben? Nur weil die Knochen wehtun? Nie und nimmer! Ist ja nix ernstes, keine Blutblasen, keine Krämpfe, keine geistige Umnachtung. Ich habe keine Wahl, muss durchhalten. Egal weiter, weiter, einfach weiter laufen, etwas geht noch.
Km 35:
Am Ebertplatz treffe ich einige Bekannte und unseren Trainer vom Lauftreff. "Du siehst noch ziemlich fit aus, dann schaffst du die letzten 7 km auch noch", ruft er mir zu. Das macht Mut. Vor dem Rudolphplatz wird es wieder lauter und auf dem Neumarkt werden wir mit Namen begrüßt. Es ist schon ein tolles Gefühl, als mein Name unter dem tosenden Beifall der Zuschauer über den Neumarkt schallt - mir läuft ein Schauer über den Rücken - das baut auf, gibt mir Kraft für die letzten 4 km. Bis auf die Knie bin ich noch sehr gut drauf, und der Mann mit dem Hammer sucht sich heute wohl andere Opfer...
Km 40:
Dann die letzten zwei Kilometer. Es sind die schönsten des ganzen Marathons. Ich hoffe, es hört sich nicht allzu kitschig an, aber ich hätte jeden einzelnen dieser tollen, enthusiastisch klatschenden Zuschauer umarmen können. Nach langer Zeit huscht mal wieder so etwas wie ein Lächeln über mein von den Strapazen gezeichnetes Gesicht. Ist es nicht dieses Gänsehaut-Gefühl, für das man so eifrig trainiert? Der Jubel auf der Zielgraden verleiht mir Flügel, lässt mich alle Qual vergessen. Ein unglaubliches Gefühl. Nur noch wenige hundert Meter. Links und rechts von mir Menschenmassen, die "du-hast-es-gleich-geschafft!" schreien.
Ziel:
Die Ziellinie - ich reiße die Arme hoch. WOW!! Geschafft, ich habe einen Marathon bewältigt. Respekt, Respekt. Die Strapazen vor dem Zieldurchlauf weichen schnell dem Stolz über die gelaufenen 42,195 Kilometer. What a feeling! Ich stehe völlig erschöpft hinter der Ziellinie und lasse für Sekunden die letzten Monate Revue passieren. Mein erster Marathon - Gratulation - ich bin ein Marathoni.
Fazit: Ein wunderschöner Erlebnis-Marathon, bei dem ich eine Menge über mich und das Laufen gelernt habe, mit einem Wermutstropfen, die ewige Wartezeit auf den Start.
übrigens mir geht es auch am Tag nach dem Marathon gut und komme alle Treppen ohne Probleme rauf und runter nur kämpfe ich noch mit einem Muskelkater, aber das ist ja kein Wunder, denn: Der SCHMERZ geht, doch der STOLZ bleibt.